Astronomische Überlieferungen des
Frühmittelalters
Sind alle Sonnenfinsternisberichte des Frühmittelalters verfälscht?
Gingen tatsächlich alle korrekten Sonnenfinsternisberichte verloren?
Wurden die Kometen des Frühmittelalters stets nur ein einziges Mal gesichtet?
Wohl
kaum! Berichte über spektakuläre astronomische Ereignisse zu
verfälschen, wäre auch keine gute Idee: Da sie zumeist auch von
unabhängigen Beobachtern festgehalten werden und ggf. rechnerisch
überprüft werden können, ist immer damit zu rechnen, dass
Manipulationen nachgewiesen werden.
Die traditionelle Geschichtsschreibung geht von folgenden 'selbstverständlichen' Annahmen aus:
- Die Überlieferungen zwischen 500 AD und 900 u.Z. verteilen sich auf 400 Jahre.
- Die Spanne zwischen Chlodwig und Carolus Simplex ergibt eine lückenlose Herrscherfolge.
- Karl der Große wurde im Jahr 800 zum Kaiser gekrönt.
- Ludwig der Fromme kann deshalb nicht ebenfalls um 800 geherrscht haben.
Betrachten
wir die Situation einmal anders herum: Was wäre denn zu erwarten, wenn
das Frühmittelalter nur etwa ein Jahrhundert umfasst hätte?
In
diesem Fall müsste der Versuch, die nach Chlodwigs Taufe mit
seinem Sohn Theuderich I. beginnende Herrscherfolge lückenlos
fortzusetzen, nach etwa einem Jahrhundert zu einem Bruch führen. Im
frühen '7.' Jahrhundert fänden wir nun wieder einen Theuderich
'II.' und seine schattenhaften Nachfolger. Mit Chlodwig 'II.' und
Theuderich 'III.' ließe sich die Folge dann ein weiteres Jahrhundert
fortsetzen. Nach einem neuen Bruch begänne sie mit Chlodwig 'III.' und
Theuderich 'IV.' abermals und schließlich mit Ludwig dem Frommen (der
es bekanntlich ablehnte, 'die heidnischen Gesänge seiner Jugend zu
singen'!) ein weiteres Mal. Dazwischen läge noch die ruhmreiche Zeit
der Herrschaft Karls des Großen.
Es wären also neben der
Jahreszählung der grichisch-römischen Antike (AD) fünf weitere
Zeitspannen zu erwarten (nennen wir sie nach Pippin P.I., P.II.
und P.III., sowie LdF und KdG), bei denen die Zeitangaben von der
gebräuchlichen Jahreszählung (u.Z.) abweichen. Diese Hypothese soll im
Folgenden anhand der überlieferten Sonnenfinsternisse und
Kometensichtungen überprüft werden:
- Der Halley'sche Komet
war im Winter 837 u.Z. über vierzig Tage lang sichtbar - zunächst
am Abend-, dann am Morgenhimmel. Gleiche Ereignisse (mit 'nicht zu
identifizierenden' Kometen) werden berichtet für die Winter 539 (AD),
617 (P.I.), 744 (P.III.), 728 (KdG) und 868 (LdF).
- Im November 928
u.Z. wurde ein anderer Komet für etwa drei Tage gesichtet. Das Gleiche
geschah im November der Jahre 626 (AD) und 812 (KdG).
- Auch für die Jahre 864 u.Z. und 565 (AD) sind Kometensichtungen überliefert.
- Weitere für 817 u.Z. und 519 (AD).
-
Die ringförmige Sonnenfinsternis über Zentralfrankreich vom 8.8.891
u.Z. entspricht der durch Gregor von Tours überlieferten von 590 (AD),
aber auch der um 779 (KdG).
- Die Eklipse vom 29.10.878 u.Z. über London wurde für 731 (P.II.) notiert.
- Eine totale Finsternis am 1.1.868 u.Z. über Schottland wird auch für 753 (KdG) berichtet.
-
Am 18.8.863 u.Z. verfinsterte sich die Sonne über Frankreich und
Italien. Gregor v. Tours nennt das Datm 568 (AD). Weiter Berichte
hierzu finden sich für 718 (P.II.) und 774 (P.III.).
- Über den Niederlanden fand eine Eklipse am 24.3.852 u.Z. statt. Überliefert ist sie für 760 (P.III.).
- Am 6.5.840 u.Z. gab es eine Finsternis über Norditalien. Eine solche wird auch für 540 (AD) und 693 (P.II.) berichtet.
- Die Eklipse vom 30.11.810 u.Z. entspricht schließlich jener des Nithard 841 (LdF) und jener von 664 (P.II.).
Unter
der nahe liegenden Annahme, dass es sich nicht um 'verblüffend
ähnliche', sondern um Beschreibungen jeweils der gleichen Ereignisse
handelt, lässt sich die Chronologie des Frühmittelalters nun
vollständig und widerspruchsfrei rekonstruieren:

Als
Nächstes wollen wir an einigen Beispielen überprüfen, ob die mit
Hilfe der exakten Astronomie rekonstruierten Chronologie den
Frühmittelalters auch dem entsprechend verdoppelte oder vervielfachte
Ereignisse und Personen liefert:
- Tatsächlich stimmen die
Todesjahre von Chlodwig I. bis zu Ludwig d. Fr. nun überein (~810
u.Z.). Deren zweite Ehefrau verstarb 544 (AD) bzw. 843 u.Z. in Tours.
- Gleiches gilt für den Tod von Theuderich I. - IV. (~835 u.Z.).
- Auch Pippin I. - III. sowie 'Pippin der Alte' wären Zeitgenossen und verstarben um 860 u.Z.
- Carolus von Landen und Karl (Martell) von Herstal, sowie Karl der Kahle lebten bis 870 u.Z.
- Deren Nachfolger waren nach ihrem Sprachfehler Chilperich bzw. Ludwig der Stammler benannt.
-
Auch Karl den Großen und Karl den Einfältigen (der sich angeblich auch
des KRLS-Monogramms und der Münzbilder seines Urgroßvaters bediente)
finden wir nun als Zeitgenossen - zusammen mit Pippin von Landen, dem
Königsmacher der Merowinger.-
Im Umfeld von Karl finden sich ebenfalls etliche gleichnamige
Protagonisten: Arnulf (der Heilige/der Böse) verstarb am 18. Juli
(überzählige Sachalttage!) ~540 (AD) bzw. am 14. Juli 937 u.Z.
- Zeitgenossen von Karls Sohn und Nachfolger Ludwig waren Abdelrahman II. bzw. III.
-
Um 950 u.Z. schließlich, wurde Sizilien von den Sarazenen erobert. Das
Gleiche soll allerdings auch schon um 650 (AD), 740 (P.I.), 800 (P.II.)
und 830 (KdG) geschehen sein.
-
In Konstantinopel wiederholen sich viele Ereignisse und gleichlange
Regentschaften zwischen dem Konzil von Chalzedon und der Demission des
Herakleios noch einmal gut drei Jahrhunderte später vom Konzil von
Hiereia (in Chalzedon) bis zur Demission des Romanos.
-
Auch die Folgen der päpstlichen Pontifikate, beginnend bei den 21
Jahren des Leo I. bzw. III. weisen starke Ähnlichkeit auf, auch wenn
sie den angenommenen Regierungszeiten der Herrscher angepasst sein
dürften.

Zusammenfassend
zeigt sich, dass die auf präzisen und überprüfbaren astronomischen
Beobachtungen basierende, von vier Jahrhunderten auf eines verkürzte
Chronologie des Frühmittelalters, mit den historischen Überlieferungen
weitestgehend übereinstimmt. Darüber hinaus löst sie viele der
Widersprüchlichkeiten der traditionellen Chronologie auf und die damit
verbundenen, unbewiesenen ad-hoc Erklärungen.
->
jahr1000wen.de
HEK
051/2011